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Haris Vlavianos: Nach dem Ende der Schönheit

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2017-01-29 2017-04-24 29.01.2017

“Haris Vlavianos ist ein philosophischer Dichter. Seine Gedichte sind Denkprozesse, bei aller Melodik, bei allem Formgefühl, die sie auszeichnen. Sie befassen sich mit Fragen der Erkenntnis, der Stellung des Menschen in der Schöpfung, dem Stellenwert seiner Empfindungen, der Liebe im besonderen, ihrer und des Menschen Vergänglichkeit“, schreibt Joachim Sartorius in seinem Nachwort zu dem bei Hanser in der Edition Lyrik Kabinett erschienen Gedichtband “Nach dem Ende der Schönheit“. Das ansprechend aufgemachte Werk versammelt Gedichte von Haris Vlavianos (Jahrgang 1957) aus vier zwischen 1991 und 2003 erschienen Bänden: “Die Sehnsucht nach den Himmeln“ (1991), „Adieu“ (1996), "Der Engel der Geschichte“ (1999) und “Nach dem Ende der Schönheit“ (2003). Vorangestellt ist diesen Gedichten wie ein Prolog “Abend ohne Abenteuer“ aus dem Jahre 2005. Der aus dem Griechischen von Torsten Israel übersetzte Gedichtband ermöglicht dem deutschen Leser eine ebenso poetische wie intelligente Entdeckungsreise durch das umfangreiche Schaffen des Lyrikers Vlavianos.

“Betrachte aufmerksam / die Gegenstände, die dich umgeben / (Blumen, Bücher, Fotografien) / betrachte sie / wie sie leger in ihrer / metaphysischen Unschuld schweben“ heißt es zu Beginn von Vlavianos’ Gedicht “Abend ohne Abenteuer“. Die Aufmerksamkeit des Lesers erfordern auch die Gedichte selbst, sind sie doch nicht einfach oder eingängig. Doch der aufmerksame Leser wird belohnt - mit einer Poesie voller betörender Schönheit und Tiefe in einer eleganten, emotionsreichen und von feiner Ironie durchzogenen Sprache. Vlavianos gelingt es, ein Gleichgewicht zwischen Abstraktion und Sinnlichkeit zu wahren.

Typisch griechische Themen wie zum Beispiel über Inselwelt oder Antike finden sich nicht, eher Anklänge an Werke angelsächsischer Autoren wie etwa Wallace Stevens oder John Ashbery. Mit ihnen verbindet Vlavianos der intellektuelle Anspruch seiner Lyrik. In seiner Poesie tauchen bestimmte Themen wie Verlust, Verrat, Tod immer wieder auf, autobiografische Bezüge sind zu entdecken: die Studienjahre in Oxford, die brasilianische Kindheit (in dem Gedicht “Brasil“), Erinnerungen an seine Geburtsstadt Rom oder die Geburt des Sohnes (in dem Gedicht “Benedictus“). “Was aber letztlich diese Gedichte, entstanden über eine Strecke von fast zwanzig Jahren, im Innersten zusammenhält, ist Vlavianos’ Glaube an das Primat des Künstlers und die Kraft der Dichtung“, schreibt Joachim Sartorius.

Haris Vlavianos wurde 1957 als Sohn griechischer Eltern in Rom geboren, wuchs zunächst aber in Brasilien auf. 1962 kehrte er nach Italien zurück. Er studierte Philosophie, Politologie und Wirtschaftswissenschaften und Philosophie an den Universitäten von Bristol und Oxford, unterbrochen von längeren Aufenthalten bei seinem in Rio de Janeiro lebenden Vater. Heute lebt er in Athen, wo er am American College of Greece Philosophie, Geschichte und Ideologiegeschichte sowie am Fachbereich Englisch/Amerikanisch des Europäischen Übersetzerzentrums Literatur und Humanwissenschaften (EKEMEL) lehrt. Er ist Herausgeber der renommierten Literaturzeitschrift “Poiisi“ (Dichtung).

Das literarische Werk von Vlavianos umfasst bisher die Gedichtsammlungen “Schlafwandeln“ (1983), “Wunderverkäufer“ (1985), “Redensart (1986), “Unerbittlicher Widerruf (1989), “Die Sehnsucht nach den Himmeln“ (1991), “Adieu“ (1996), “Der Engel der Geschichte“ (1999), “Nach dem Ende der Schönheit“ (2003) - für die beiden zuletzt genannten wurde er für den Griechischen Staatspreis nominiert - sowie die Aphorismen- beziehungsweise Kurzessay-Bände “Der andere Ort“ (1993) und “Britannica“ (2004). Darüber hinaus übersetzte er unter anderem Gedichte von Walt Whitman, Ezra Pound, Zbigniew Herbert, John Ashbery, e.e. cummings, Wallace Stevens und Fernando Pessoa ins Griechische, aus dem Italienischen übertrug er Carlo Goldonis “Zwillinge von Venedig“.

“Was verlorengeht / bleibt bewahrt in uns als / das was verlorengeht. / Die Chrysanthemen die du in den Händen hältst / sind nicht die Chrysanthemen die du hältst in den Händen. / Sie sind Staub. / Worte die versuchen den Sinn dieser vorausgeplanten / Geste zu interpretieren. / Einer notwendigen aber vergeblichen“, heißt es in Haris Vlavianos’ Gedicht “Abend ohne Abenteuer“ weiter, das den Leser des Gedichtbandes einstimmt auf die poetische Entdeckungsreise, die zu unternehmen auf jeden Fall lohnt.

Haris Vlavianos, „Nach dem Ende der Schönheit“
104 Seiten,
Fester Einband, Pappband
ISBN 3-446-20871-2

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